Sorry, hab die ersten 36 Minuten gesehen und kann mich mit diesem Werk nicht anfreunden. Weiter habe ich noch gesehen und alles bezieht sich auf diesen Eindruck. Ich hab mich schon viel mit dem christlichen Fundamentalismus beschäftigt und finde grauenhaft, was dort mancherorts läuft - aber dieser Film ist keinen Deut besser als die Pseudo-Dokumentationen der Evolutionsgegner.
Ca bei 36. Minuten:
"Wir wollen nicht boshaft sein, sondern sachlich. Wir wollen niemandens Gefühle verletzen, sondern akademisch korrekt sein, von dem, was wir wissen, das wahr ist."
Wow! Und dann wird sich wenig später noch über die Verhaltensweisen fundamentalistischer Christen beschwert (hier ist man aber bereits so weit, dass man vor dem Zuschauer von allen Gläubigen spricht). Was stört denn die Leute hinter diesem Film an Leuten mit anderen religiösen Ansichten als den ihren? Dass man mit ihnen nicht sachlich diskutieren kann?
Ich meine, man lässt sich in diesem Film doch auch gar nicht wirklich auf die Gegenseite ein, sondern zeigt gleich mit dem Finger auf sie und verlacht sie. Dies verstehen die Leute hinter diesem Film offenbar unter Sachlichkeit und finden es weder boshaft noch verletzend, so mit Menschen umzuspringen.
Schaut euch doch bloß mal die ersten 10 Minuten an:
Amerikanische Flagge über Bibel und der direkte Schnitt zum 11. September. Bilder des Terrors und der Gewalt. Ziemlich früh kommt das zu diesen Bildern passende Zitat, dass die religiösen Institutionen der Grund für die Schweinereien dieser Welt sind. Es wird die echte Wahrheit versprochen. Die neue Autorität soll die Wahrheit sein, aber welche?
Ich vermute, dass der Film Wahrheit zeigen will. Doch gleich der Anfang liefert das Gegenteil. Es kommen nur Lästereien, die ein völlig kindlich-naiv-verdrehtes Verständnis von Christentum liefern. Im Zentrum dieser stehen die (wohl für die Macher des Films lächerlichen) Zehn Gebote. Es wird erwähnt, dass man sich an diese halten soll. Es wird ein magisches Tun-Ergehen Verständnis aufgeführt. Ein solches Verständnis mag sich vielleicht tatsächlich noch bei dem ein oder anderen Anhänger eines fundamentalistischen, unreflektierten Christentums finden, aber keinesfalls beim Löwenanteil.
Die Autoren sagen doch tatsächlich über die 10 Gebote: Beim Nicht-Einhalten käme man in die Hölle. Hier dürfte schon sehr klar durchkommen, dass sich die Macher mit dem Christentum nicht wirklich beschäftigt haben. Eine basale Idee des Christentums, die doch eigentlich jeder im Laufe seiner Ausbildung mitbekommen sollte, ist doch gerade, dass alle Menschen Sünder sind und der Vergebung bedürfen. Sie ist entweder nicht verstanden (egal von seiner Akzeptanz, diese Maxime sollte aber jedem klar sein, der sich auch nur annähernd mit dieser Religion beschäftigt) oder wird bewusst zugunsten der Lenkung des Zuschauers verschwiegen.
Ich halte fest: 1.) Entweder sind die Autoren nicht bereit, sich mit den Grundprinzipien ihrer Gegenposition auseinander zu setzen oder 2.) sie verwenden bewusst Mittel der Manipulation.
In beiden Fällen kann man hier nicht erwarten, dass die versprochene Wahrheit geliefert werden kann. Denn eine eine echte Wahrheit hat es nicht nötig, auf auf einem offensichtlich falschen, durch Ausschalten des Denkens oder bewusst konstruierten, Fundament zu ruhen. Das Einspielen der Lacher, die bewusste manipulative Aufmachung, zeigt nicht nur Intoleranz, sondern eine bewusst intendierte Meinungslenkung des Zuschauers. Seriös ist das nicht. Die ersten 10 Minuten lassen jedenfalls schon vermuten, dass dies ein Propagandafilm aus übelst fundamentalistischen Gefilden ist. Das Einspielen der Publikumsreaktionen: Gelächter über die bescheuerte Christenheit und Beifall für die ideologischen Aussagen des Autors.
Im Verlauf des Films werden auf einmal die Ansichten fundamentalistischer (nicht repräsentativer) Christen über das Alter der Erde mit untermaltem Gelächter eingeworfen. Auch wenn diese Ansichten meines Erachtens Gelächter verdient hätten, so hat dieser komplette Einwurf nichts mit dem eigentlichen Argumentationsfaden zu tun, sondern ist wohl ein den Zuschauer lenkendes, propagandatypisches Stilmittel, das die Überzeugungskraft der Autoren in einem davon losgelösten Sachverhalt untermauern soll.
Der Film entspricht nicht akademischen Idealen (das Zitat oben setzt echt noch der Frechheit einen auf). Filme und Texte, die diesen genügen, können und wollen aufgrund ihrer inneren Logik überzeugen. Ich will dort, dass die Leute selbst nachdenken und sich ihre Meinung aufgrund der meinigen bilden. Da habe ich eine solche Vorgehensweise wie die Macher von Zeitgeist nicht nötig.
Was mich erschreckt: So reden gehört hab ich bisher vor allem fundamentalistische, eine charismatische Allwissenheit für sich beanspruchende Oberhäupter von bedenklichen Strömungen innerhalb des Christentums - jene, die wir gerne gleich mit der kompletten Christenheit der USA verbinden und die vielen von uns, inklusive den meisten reflektiert Gläubigen, Angst machen (imho zurecht). Die erste halbe Stunde lässt zumindest sehr stark vermuten, dass die Verantwortlichen dieses Films mit der fundamentalistisch-atheistischen Szene harmonisieren, welche sich als Reaktion auf das stärkere Aufkommen des Fundamentalismus in den abrahamitischen Religionen (besonders Christentum und Islam) gebildet hat. In dieser atheistisch-fundamentalistischen Szene wird ähnlich polemisch vorgegangen, wie es die Kräfte tun, gegen die sie sich stellen. Sie versprechen dem Menschen ein neues Konzept der Erlösung. Durch Eliminierung der Weltreligionen (sagen wir lieber: von allem Gedankengut, das nicht das ihre ist) versprechen sie sich ein ewiges Reich des Friedens. Die negativen Aspekte, die sie der Gegenseite zuschreiben sind auch bei ihnen zu finden.). Ich würde diese Leute häufig auch nicht primär als Atheisten bezeichnen, sondern erst mal als radikal antireligiös (abhängig von der Religionsdefinition).
Damit ihr mich nicht falsch versteht, ich will auf keinen Fall die Verbrechen gutheißen, die im Rahmen der Religion begangen wurden und begangen werden. Nur ob ich manche der im Film "Jesus Camp" dargestellten Leute reden höre oder mir diesen Film hier ansehe - ich meine, die gleichen, bedenklichen und gefährlichen Elemente zu finden. "Zeitgeist" ist ein fundamentalistischer Propagandafilm, und ich lehne diese beiden Sachen prinzipiell ab.
Wo sind die Lessings dieser Zeit, die noch kritisch mit dem Problemfeld Religion umgehen konnten? Die sich auch gegen einen religiösen Fanatiker stellen und trotzdem bei den eigentlichen Idealen bleiben konnten, für die sie stehen.